Sicher Rechts Abbiegen: Worauf Sie sich im Straßenverkehr einstellen müssen – Ein praktischer StVO-Leitfaden
Die unsichtbaren Regeln für mehr Sicherheit
Jeden Tag biegen wir unzählige Male rechts ab. Es scheint ein simpler Vorgang zu sein, doch gerade hier lauern im deutschen Straßenverkehr die größten Fallstricke. Manöver wie das Rechtsabbiegen sind laut Statistik häufige Unfallursachen – oft, weil kleine, aber entscheidende Regeln übersehen werden. Besonders die Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern steht dabei im Fokus.
Der Paragraph 9 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) definiert die exakten Vorschriften. Ziel dieses Artikels ist es, Ihnen einen klaren, verständlichen und praxisorientierten Fahrplan an die Hand zu geben. Wir erklären Ihnen Schritt für Schritt, welche Pflichten Sie haben, wie Sie sich optimal einordnen und welche Verkehrsteilnehmer immer Vorrang haben. Nach dem Lesen dieses Leitfadens werden Sie sich sicherer fühlen und wissen genau, worauf Sie sich beim Rechtsabbiegen einstellen müssen, um Bußgelder zu vermeiden und vor allem Unfälle zu verhindern. Vertrauen Sie auf die klaren Regeln der StVO, um entspannter ans Ziel zu kommen.

1. Die Abbiege-Routine: Vorbereitung ist der Schlüssel zur Sicherheit
Ein sicherer Abbiegevorgang beginnt nicht erst an der Kreuzung, sondern frühzeitig davor. Die korrekte Vorbereitung ist entscheidend, um den nachfolgenden Verkehr nicht zu irritieren und Kollisionen zu vermeiden.
Rechtzeitiges Einordnen und Blinken
Das Einordnen:
Wer rechts abbiegen möchte, muss sein Fahrzeug rechtzeitig und so weit wie möglich rechts einordnen. Dies gilt auch für Fahrbahnen, die nur eine Spur in Ihre Richtung haben. Bleiben Sie dabei stets aufmerksam und vermeiden Sie es, andere Verkehrsteilnehmer zu behindern.
- Der Grund: Nur wer ganz rechts fährt, signalisiert die Absicht eindeutig. So bleibt links daneben genug Platz für Radfahrer.
- Der Tipp: Nehmen Sie den rechten Fahrbahnrand als Orientierung.
Das Blinken:
Die Fahrtrichtungsänderung muss rechtzeitig und deutlich angekündigt werden. Der Blinker ist hier Ihr wichtigstes Kommunikationsmittel. Beginnen Sie früh genug zu blinken, idealerweise bereits beim Einordnen.
- Wichtig: Rechtzeitig bedeutet, dass der nachfolgende Verkehr Zeit hat, sich auf Ihre reduzierte Geschwindigkeit einzustellen. Ein fehlender oder zu später Blinker wird als Ordnungswidrigkeit geahndet (ab 10 Euro Verwarnungsgeld).
Der lebenswichtige „Spiegel-Blinker-Schulterblick“
Bevor Sie das Abbiegen einleiten, müssen Sie sich durch eine umfassende Verkehrsanalyse vergewissern, dass keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden.
- Spiegel: Prüfen Sie den rechten Außenspiegel auf nachfolgenden Verkehr und besonders auf Radfahrer, die rechts an Ihnen vorbeifahren.
- Blinker: Setzen Sie den Blinker, um Ihre Absicht klar zu signalisieren.
- Schulterblick: Dieser Schritt ist beim Rechtsabbiegen von entscheidender Bedeutung. Der Schulterblick eliminiert den „toten Winkel“ – den Bereich, den weder der Rück- noch der Seitenspiegel erfassen. Hier können sich Radfahrer oder Rollerfahrer unbemerkt nähern. Führen Sie den Schulterblick unmittelbar vor dem Abbiegen durch!
- Szenario: Stellen Sie sich vor, Frau Müller ist abgelenkt und vergisst den Schulterblick. Ein schneller E-Scooter-Fahrer nutzt den Platz rechts neben ihrem Auto. Beim Abbiegen kommt es unweigerlich zur Kollision. Hätte Frau Müller den kurzen Blick über die rechte Schulter gemacht, wäre der Unfall vermeidbar gewesen.
Geschwindigkeit anpassen und engen Bogen fahren
Reduzieren Sie Ihre Geschwindigkeit deutlich. In vielen Fällen ist der zweite Gang ideal, um langsam und kontrolliert abzubiegen.
Der Abbiegevorgang selbst muss in einem engen Bogen erfolgen. Dadurch vermeiden Sie, in den Gegenverkehr zu geraten oder unnötig große Kurven zu fahren. Das Ziel ist es, nach dem Abbiegen direkt auf den rechten Fahrstreifen der neuen Straße zu gelangen.

2. Vorrang für die Schwächeren: Radfahrer und Fußgänger
Dies ist der wichtigste und unfallträchtigste Punkt beim Rechtsabbiegen. Im deutschen Verkehrsrecht gilt der Grundsatz der Rücksichtnahme, insbesondere gegenüber den ungeschützten Verkehrsteilnehmern.
Fußgänger und Radfahrer haben Vorfahrt
Laut $\S 9$ Abs. 3 StVO haben alle Verkehrsteilnehmer, die auf der Fahrbahn, die Sie kreuzen, geradeaus fahren oder gehen, Vorrang. Das bedeutet:
- Fußgänger: Überqueren Personen die Straße, in die Sie einbiegen möchten, müssen Sie warten. Dies gilt auch, wenn die Fußgängerfurt keinen eigenen Zebrastreifen hat.
- Radfahrer: Dies ist die häufigste Gefahrenquelle. Radfahrer, die den Radweg neben Ihrer Spur oder auf der Fahrbahn geradeaus nutzen, haben Vorrang vor Ihnen als Rechtsabbieger. Sie müssen den Radfahrer vorbeilassen, auch wenn dieser sich sehr schnell nähert.
- Klarstellung: Die StVO verlangt, dass beim Abbiegen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Im Zweifel: Anhalten und warten.
Die „Schrittgeschwindigkeitspflicht“ für Lkw
Für Fahrer von Kraftfahrzeugen über 3,5 Tonnen (Lkw) gilt innerorts eine spezielle, verschärfte Regelung ($\S 9$ Abs. 6 StVO).
Diese Fahrer müssen Schrittgeschwindigkeit (etwa 4-7 km/h) fahren, wenn sie rechts abbiegen und auf oder neben der Fahrbahn mit Rad- oder Fußgängerverkehr rechnen müssen. Diese Regel dient dem Schutz vor sogenannten „Abbiege-Unfällen“ durch den Toten Winkel.
- Praxis-Tipp: Obwohl die Regel primär Lkw betrifft, ist das langsame, vorsichtige Abbiegen eine sinnvolle Empfehlung für alle Fahrzeugführer, da es mehr Reaktionszeit für den Schulterblick und das Bremsen lässt.
3. Ampeln und Schilder: Sonderfälle beim Rechtsabbiegen (H2)
An Kreuzungen regeln oft Lichtzeichen oder Zusatzschilder das Abbiegen. Hier gibt es wichtige Unterscheidungen, deren Missachtung zu Bußgeldern und Punkten führen kann.
Der grüne Blechpfeil (Grünpfeil-Schild)
Das Verkehrsschild, das einen grünen Pfeil auf schwarzem Grund zeigt (Zeichen 720), ist ein wichtiger Sonderfall in Deutschland.
- Bedeutung: Es erlaubt Ihnen, auch bei roter Ampel nach rechts abzubiegen.
- Achtung, Pflichten: Sie müssen jedoch zuerst an der Haltelinie vollständig anhalten. Erst nach dem Anhalten dürfen Sie langsam zur sogenannten Sichtlinie vorfahren. Sie müssen sicherstellen, dass kein Querverkehr, keine Fußgänger oder Radfahrer gefährdet werden. Querverkehr hat immer Vorfahrt.
- Wichtig: Der Grünpfeil verpflichtet Sie nicht zum Abbiegen. Wenn die Verkehrslage unübersichtlich ist oder Sie unsicher sind, warten Sie einfach auf die Grünphase der Ampel.
H3: Der grüne Leuchtpfeil in der Ampel
Ein grüner Pfeil, der direkt in der Ampelscheibe leuchtet, signalisiert eine Freigabe ohne Konflikt.
- Bedeutung: Leuchtet dieser Pfeil auf, ist der Verkehr in Pfeilrichtung freigegeben. In diesem Moment müssen Sie abbiegen (wenn Sie rechts eingeordnet sind) und können darauf vertrauen, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer Rot haben. Sie müssen weder warten noch auf Querverkehr achten, da dieser ausgeschlossen ist.
- Der Unterschied: Beim Blechpfeil müssen Sie warten, beim Leuchtpfeil ist die Fahrbahn garantiert frei.
Die abknickende Vorfahrtstraße
Wenn Sie auf einer Vorfahrtstraße sind, die nach rechts abknickt (angezeigt durch das Zusatzzeichen mit der dicken Linie), biegen Sie rechtlich gesehen nicht ab.
- Pflicht: Trotzdem sind Sie verpflichtet, den Blinker zu setzen, um Ihre Fahrtrichtung innerhalb der Kreuzung anzuzeigen.
- Rücksichtnahme: Auch hier gilt: Auf Fußgänger und Radfahrer, die die abknickende Fahrbahn kreuzen, muss besondere Rücksicht genommen werden.

Fazit: Gewohnheit durch Achtsamkeit ersetzen
Das Rechtsabbiegen ist mehr als nur Lenken – es ist ein Akt der vollen Konzentration und Rücksichtnahme. Anstatt es als Routine abzutun, sehen Sie es als Ihre tägliche Gelegenheit, durch Achtsamkeit und die Einhaltung der StVO zur allgemeinen Verkehrssicherheit beizutragen. Die wichtigsten Punkte sind das frühzeitige Blinken, das ganz rechte Einordnen und vor allem der Schulterblick zum Schutz von Radfahrern und Fußgängern.
Beginnen Sie heute damit, die Spiegel-Blinker-Schulterblick-Routine bewusst in Ihren Fahralltag zu integrieren. Diese einfachen Schritte machen den Unterschied zwischen einem reibungslosen Manöver und einer gefährlichen Situation. Fahren Sie sicher und bleiben Sie aufmerksam – für sich und alle anderen Verkehrsteilnehmer.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
H3: Wer hat Vorfahrt beim Rechtsabbiegen?
Grundsätzlich haben Fußgänger und Radfahrer, die auf der Straße, in die Sie einbiegen, geradeaus fahren oder gehen, Vorrang. Als Rechtsabbieger sind Sie nach $\S 9$ StVO wartepflichtig und müssen eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausschließen.
H3: Wann ist beim Rechtsabbiegen der Schulterblick zwingend notwendig?
Der Schulterblick ist immer zwingend notwendig, bevor Sie nach rechts abbiegen. Er dient dazu, den sogenannten „toten Winkel“ zu prüfen, in dem sich Radfahrer, E-Scooter oder Motorräder unbemerkt befinden können. Ohne Schulterblick drohen Bußgelder und im Falle eines Unfalls eine Mitschuld.
H3: Muss ich bei einem Grünpfeil-Schild (Blechpfeil) warten?
Ja. Bei dem grünen Blechpfeil an einer roten Ampel müssen Sie zuerst an der Haltelinie vollständig anhalten. Sie dürfen dann langsam vorfahren, um die Verkehrslage zu prüfen. Erst wenn Sie sicher sind, dass kein Querverkehr und vor allem keine Fußgänger oder Radfahrer gefährdet werden, dürfen Sie vorsichtig abbiegen.
H3: Muss ich mich als Rechtsabbieger immer ganz rechts einordnen?
Ja, die StVO schreibt vor, dass Sie sich zum Rechtsabbiegen möglichst weit rechts einordnen müssen. Das signalisiert Ihre Absicht und lässt Platz für eventuelle Radfahrer, die geradeaus weiterfahren möchten.
